Test

Ich fange mal am Anfang an. Am Anfang war Großmutti, und ich war noch klein. Aus mir damals unerfindlichen Gründen wurde meine Uromin nämlich von allen "Großmutti" genannt, außer von meiner Muttin, die sagte immer "Großmuttin". Und Großmutti sagte immer: "Mir kommt kein Moderator ins Haus!". Ich bin mir sicher, dass sie in ihrer Wohnung einen Moderator hatte, aber der gammelte wohl in seiner Parknische vor sich hin, während Großmutti ihre Wohnung mit altertümlichem Gerät händisch putzte. "Zu ihrer Zeit ließ frau halt noch Frauinnen die Hausarbeit machen" pflegte meine Vatin zu sagen, und lächelte dabei nachsichtig, oder auch entschuldigend, denn meine Muttin fand das "unemazipiert" und ekelte sich beträchtlich. Und ihr Defäktron nannte sie "Klo". Also Großmutti, Muttin natürlich nicht.

"Die Jungin soll erstmal was anständiges lernen!" pflegte meine Vatin ebenfalls bei jeder mehr oder minder passenden Gelegenheit zu bekräftigen, und ebenso pflegte Großmutti ihr jeweils beizupflichten, wannimmer sie dabei zugegen war, was so oft allerdings auch wieder nicht vorkam. "Sohnin", wandte die sich also an mich, als die Zeit gekommen war, meine Familie zu planen, "Sohnin, mach dich nicht gleich finanziell von einer Frauin abhängig. Ich werde dir eine excellente Ausbildung zur Putzmännin verschaffen." Vatin war nämlich seit ihrer Hochzeit bei einem angesehenen Unternehmen in gehobener Position bei der Gebäudereinung beurlaubt, und hatte dort hervorragende Kontakte. "Dort lernst du alles, was du für die Hausarbeit brauchst." Und so kam es dann auch.

Die Grundausbildung umfasste 21 Trimester, in welchen uns nicht nur die neuesten technologischen Entwicklungen der Uro- und Fäkotronik, Robotik, Hygiematik etc. nahegebracht wurden, sondern auch theoretische Hintergründe aus den Wissenschaften der Biochemie, Viro- und Bakteriologie, höhere Algebra, Genderistik, Automatentheorie, Gesellschaftswissenschaften und vieles mehr. Sehr bereichernd fand ich die Angebote an vertiefenden Studien in weiteren Bereichen der Haushaltsführung, wie zum Beispiel Nutriologie, Neonatologie und Kleinkindpädagogik. Besonders jedoch begeisterte mich das Fach Hauswirtschaftslehre, was sicher auch damit zusammenhing, dass dieses bei uns von einer international anerkannten Koryphäin auf diesem Gebiet unterrichtet wurde: Profin. Drin. rer. hyg. Lutz Edeltraud Nidergurgel, einer der führenden Hausmänninnen Europas, Sie haben sicher von ihr gehört. Buchstäblich jede ihrer Vorlesungen wusste sie als ein einzigartig inspirierendes, ja geradezu bezauberndes Erlebnis zu arrangieren, und bei Diskussionen in den Seminaren oder auch außerhalb regulärer Veranstaltungen bewies sie eine intellektuelle Durchdringung der anspruchsvollen Thematik, die mich immer wieder verblüffte, mich aber auch stets herausforderte, und zu eigenen wissenschaftlichen Leistungen anspornte. Den Abschluss des Studiums bildeten eine Reihe theoretischer Prüfungen, 24, wenn ich mich recht entsinne, davon etwa die Hälfte mündlich, sowie eine Abschlussarbeit nebst Gesellenstück, wofür ich mir "Errichtung und Inbetriebnahme eines Defäktrons in der Chefetage des Neubaus des Unternehmenshauptsitzes" zum Thema wählte. Und genau da, am Tag der Übergabe meines Defäktrons, das heißt: eigentlich am Abend des Tags davor, beginnt nun die Geschichte, die ich eigentlich erzählen wollte.

An diesem Vorabend der Abnahme stellte ich nämlich fest, dass der Kompensationsterilisator meines frisch errichteten Defäktrons nicht funktionierte. Nun ist das ja keine große Sache, so etwas ist schnell ausgetauscht, dachte ich. Dazu hätte ich eben noch hoch ins Labor gehen und einen neuen Sterilisator holen müssen, sowie Werkzeug, dann wieder runter, austauschen, und dann den kaputten wieder zurück ins Labor zur fachgerechten Entsorgung. Letzteres kann freilich auch erstmal liegenbleiben, aber trotzdem, alles in allem, eine dreiviertel Stunde etwa. Nun hatte ich mich für diesen Abend aber schon mit meinen Freundinnen zum Skat verabredet, und wollte sie ungern warten lassen. Also beschloss ich, die Wartungsanzeige vorläufig blinken zu lassen, und morgen einfach etwas früher zu kommen, damit ich noch vorm Abnahmetermin Zeit hätte, die Ausbesserung vorzunehmen.

Die Sachen wollte ich mir aber gleich schon im Labor zurechtlegen. Einen originalverpackten Kompensationsterilisator fand ich auch auf Anhieb in dem Schränkchen, wo wir die Kaffebohnen aufbewahren – eigentlich wollte ich nur schnell schauen, ob noch genug da ist – eine Attraktorkladde jedoch suchte ich sowohl dort als auch in den einschlägig beschrifteten Regalfächern zunächst vergeblich. Eine C-Halterung kriegt frau zwar durchaus auch ohne Attraktorkladde entriegelt, was zu Üben in unserer Ausbildung sogar einen recht breiten Raum einnahm, aber dann muss frau eben auch die Zeit einplanen, die resultierende Sauerei anschliessend wegzumachen, und so viel früher wollte ich morgens dann doch nicht kommen. Leider war auch keine Kollegin mehr da, die ich hätte fragen können, denn es war schon nach 18 Uhr. Morgen füh würde ich sicher jemanden finden, den ich fragen könnte, ich hatte mir aber nunmal in den Kopf gesetzt, jetzt alles vorzubereiten. Nach geraumer Zeit zunehmend hektischer Suche wurde ich in dem Spalt zwischen Kühlschrank und Kaffemaschine doch noch fündig, und indem ich aufs Duschen verzichtete, gelang es mir, meine Verabredung fast pünktlich, mit nur wenigen Minuten Verspätung, einzuhalten. An die Eventualität eines Penetranten hatte ich bis dahin selbstverständlich keinen Gedanken verschwendet.

Ich kam also am nächsten Morgen eine gute Stunde früher ins Labor. Ich war die Erste, und beglückwünschte mich dazu, mich nicht darauf verlassen zu haben, zu dieser frühen Stunde jemanden anzutreffen, die ich nach dem Verbleib der Attraktorkladden hätte fragen können. Wie immer wies ich als erstes die Kaffemaschine an, mir einen Americano zu bereiten. Die Kaffemaschine bestätigte, und daraufhin hob ein merkwürdiges, klapperndes Geräusch an, nicht besonders laut, aber unangenehm, und irgendwie so durchdringend, dass ich all' meine Entschlusskraft aufbieten musste, um es zu ignorieren. Da ich bis dahin leider immernoch keine Zeit zum Duschen gefunden hatte, sprühte ich mich von oben bis unten mit Desio ein, bevor ich meine Arbeitskleidung anlegte, in deren Taschen ich anschließend noch die am Vorabend bereitgelegten Gegenstände verstaute. Anschließend widmete ich mich meinem Americano, so viel Zeit musste sein. Eine Kommilitonin steckte den Kopf zu Tür herein, und fragte, was für ein Lärm das hier gerade gewesen sei. Irgendwas mit der Kaffemaschine, erwiderte ich, sei nicht in Ordnung, ob sie bitte mal den Service anrufen könne, mein Defäktron werde gleich abgenommen. Sie sagte, sie kümmere sich darum, und wandte sich zum Gehen. Wo denn hier eigentlich die Attraktorkladden seien, rief ich ihr hinterher, weil mir das gerade einfiel. Sie wies stumm auf ein Regalfach mit der Beschriftung "Verbrauchsmaterialien A-E". Darauf war ich tatsächlich nicht gekommen. Aber ich hatte ja schon eine.

Der Penetrant fiel mir erst ein, als ich bereits in der Tür stand. Nun ist so ein Penetrant nicht gleich hinüber, nur weil der Kompensationsterilisator defloriert. Genau genommen wusste ich ja nicht einmal, ob er wirklich defloriert war, ich wusste nur, dass die Wartungsanzeige blinkte. Das konnte beispielsweise einfach an einem festgefressenen Alphavortex liegen, oder alle möglichen anderen, harmlosen Gründe haben. Eigentlich ist es Vorschrift, den Penetranten stets mit zu tauschen, überlegte ich, in der Praxis schenkt frau sich diese etwas aufwendige Operation nach Möglichkeit. Mitunter kommt es aber schon vor, dass das Ding, trotz beanstandungsloser Sichtprüfung, schon einen Schlag weg hat, und dann fliegt es einem beim Einrasten auch gerne mal um die Ohren. Eingedenk der ärgerlichen Konsequenzen dieses Eventualfalles entschloss ich mich, vorschriftsmäßig zu verfahren, und lieber doch noch einen mitzunehmen.

Zu meiner gelinden Überraschung fand ich einen passenden Penetranten im entsprechend beschrifteten Regalfach, in einer Schachtel, deren Boden zwar etwas aufgeweicht war durch eine Flüssigkeit, die aus einer daneben umgefallenen Gogolin-Flasche ausgelaufen sein musste, und in der außerdem noch einige schrumpelige Mandariten schwammen, von denen ich mir nicht recht erklären konnte, wie sie ihren Weg hierher gefunden haben mochten, aber die Penetranten, zumindest im oberen Bereich der Schachtel, offenbar nicht in Mitleidenschaft gezogen hatte. Um weiterem Schaden vorzubeugen nahm ich die Schachtel aus dem Regal und stellte sie auf den Boden davor, begleitet vom festen Vorsatz, sie später zu inspizieren. Alles in allem kostete mich diese Aktion dennoch geschlagene siebeneinhalb Minuten, um die es mich noch gereuen sollte.

Die Verzögerung hatte mich bereits ein wenig nervös gemacht. Im Fahrstuhl brachte ich den etwas unhandlichen Penetranten noch in einer Oberschenkeltasche meiner Uniform unter, um die Hände frei zu haben. Im Keller angekommen, schritt ich eilig den Korridor hinab zum Unternehmensvorstand. Hier bedienten fünf gelernte C-Level-Managerinnen die Geschäftsführung (Profit Suite 77, Enterprise Edition), unter Leitung einer Betriebswirtin mit Abitur. Ich war mit ihnen im Laufe der Arbeit an meinem Gesellenstück schon näher bekannt geworden. Gegenwärtig mussten sie noch das Defäktron im Lager benutzen. Das befand sich zwar direkt über ihren Köpfen, der Weg zu Treppe oder Aufzug führte aber über den langen Korridor, den ich soeben durcheilt hatte, und entsprechend dankbar begegnete frau meiner Arbeit hier. Ich grüßte also freundlich und wollte mich eigentlich sofort zu meinem Defäktron begeben, als ich einer gewissen Anspannung gewahr wurde. Heute schien die schmucke, zyanfarbene Uniform der Gebäudereinung besonders großen Eindruck zu machen, was, wie ich mir sogleich vergegenwärtigte, aber damit zusmmenhängen dürfte, dass jeden Moment die Prüfungskommission erwartet wurde, und das war wohl auch der Grund für die gespannte Athmosphäre. Also nahm ich mir noch einige Minuten Zeit für eine kurze Sichtinspektion der Arbeitsplätze, wobei ich jeweils anerkennend und beruhigend nickte, und insgesamt einen entspannten, zufriedenen Eindruck zu machen suchte, obwohl dieser weitere Verzug wenig geeignet war, meine eigene Nervosität zu dämpfen. Aber ich helfe ja gern, wo ich kann.

Nun war wirklich Eile geboten! Noch im Gehen nahm ich die Attraktorkladde aus der Brusttasche und entsicherte sie. Dann noch eine gefühlte Ewigkeit, bis die sich Defäktrontüre zischend und schmatzend öffnete. Etwas zu heftig riss ich die Abdeckung vor der C-Halterung auf. Das hätte schief gehen können! Ich atmete kurz tief durch, bovor ich die Kladde ansetzte.

Vielleicht war ich dennoch zu hektisch dabei, ich denke aber im Nachhinein, dass meine Attraktorkladde einfach überlagert war. Jedenfalls hatte ich, meinen Ausbildern sei Dank, das Entriegeln von C-Halterungen ohne Kladde oft genug – genauer gesagt: Bis zum Erbrechen – geübt, und daher intakte Reflexe. Meine schöne Uniform bekam keinen einzigen Spritzer ab, als der Sterilisator repellierte. Die Pampe verteilte sich ungehindert in Form eines riesigen Pantoffeltierchens über den Boden, und auch ein Stück die gegenüberliegende Wand hinauf.

Um Fassung ringend betrachtete ich das Pantoffeltierchen. Natürlich rief ich sofort den Moderator, aber mir war klar, dass der damit nicht fertig werden würde, hier musste schweres Gerät ran, nur woher so schnell nehmen? Ich schaute auf die Uhr: Noch 33 Minuten, und die Herrin Generalinspektorin, welche die Prüfungskommission leitete, habe ich praktisch noch nie unpünktlich erlebt. Der Moderator nahm sich optimistisch summend der Pampe an.

Ich zwang mich zu ruhigem Nachdenken: Mit dem Schrubbomaten aus dem Labor wäre das eine Sache von Sekunden, aber der passt nicht in den Personenaufzug, und ehe ich den außen über die Fensterreinigungsplattform hier herunter bugsiert hätte, hätte ich das auch aufgeleckt...

Aber natürlich: Die Leckfibrille!

In jedem Defäktron gibt es nämlich eine so genannte Havariekassete, normalerweise ist sie in die Rückwand eingelassen und mit einer Abdeckung versehen, die frau nur erkennt, wenn frau weiß, wonach frau sucht, als Laie hat frau da keine Chance. Das wurde uns in den ersten Trimestern der Ausbildung mal an einem Modell gezeigt. Darin befindet sich, so erinnerte ich mich dunkel, die Leckfibrille, ein Gerät zur "Havariereinigung", wie frau uns erklärt hatte. Zwar wurde das dann nie wieder erwähnt, und ich hatte auch sonst keine Ahnung, aber es klang erstmal so, als könnte es mir weiterhelfen. Ich klopfte also die Rückwand nach dem vermuteten Hohlraum ab. Alsbald fand ich auch eine hohl klingende Stelle, und darum herum zeichneten sich mir nun auch deutlich die Ränder der Abdeckung ab. Da ich keinen Griff oder ähnliches fand, drückte ich auf verschiedene Stellen des Abdeckungsrandes, und hatte damit erstaunlicherweise schon nach wenigen Versuchen Erfolg. Dahinter lag, in einem Formkissen, etwas, das ich als Fibrillenschaft identifizeren konnte, samt Aktivator. Der Moderator, dessen Summen unterdessen zunehmend wütender geworden war, verstummte nun, und gab nur noch gelegentlich ein resigniertes Klacken von sich. Sein Fortschritt gegen die Verpampung war überschaubar geblieben. Ich hängte ihn einstweilen zum Trocknen an den Handtuchhalter, und nahm die Leckfibrille zur Hand.

Ich fragte mich, warum wir im Studium nicht in deren Handhabung unterwiesen worden sind. Womöglich aus demselben Grunde, aus dem auch der Havariefall nie behandelt wurde: Sicher haben Generationen von Gebäudereinigern keinen mehr erlebt. Schaudernd unterdrückte ich das unwillkürlich in meinem Geiste erstehende Bild einer normgerechten Leckfibrillenattrappe, kniff die Augen zusammen und betätigte behertzt den Aktivator. Der Schaft surrte einige Sekunden, ratterte dann recht ungesund, und krönte seine Tätigkeit schließlich mit einem leisen Piepsen. Auch wenn ich nur sehr ungefähre Erwartungen an die Funktionsweise des Geräts hatte, traf mich dieses Resultat dann doch recht unvorbereitet.

Das Krachen der Havariekassetenabdeckung informierte mich über meinen bedenklichen emotionalen Status. Sie war heil geblieben, immerhin, und jetzt wieder geschlossen. Ich atmete mehrmals tief durch, aber einen klaren Gedanken zu fassen, wollte mir dennoch nicht recht gelingen. Ich betätigte den Aktivator noch mehrere Male und glotzte dabei blödsinnig auf die Öffnung am Ende des Fibrillenschafts, vage auf ein daraus hervortretendes Wunder hoffend. Darin drehte sich irgendetwas, immer, wenn der Schaft surrte.

Meine Gedanken versammelten sich, einer nach dem anderen, um die Idee, die Pinzettenantenne der bislang in der Pampe liegen gebliebenen Attraktorkladde in der Art einer Zange zu benutzen, um das sich drehende Ding aus dem Schaft zu ziehen. Das wäre zum mindesten unterhaltsamer, als es bloß blöd anzuglotzen. Ich stocherte also, mit der einen Hand die Antenne führend, mit der anderen den Fibrillenschaft haltend und von Zeit zu Zeit den Aktivator betätigend, in der Öffnung herum, in welcher sich das Ding drehte, welches ich aber einfach nicht zu fassen bekam. Nichtsdestotrotz entschloss sich dieses nach einer Weile, aus dem Schaft hervorzutreten, wobei es sich, wenig überraschend, aber sehr erfreulich, als gewöhnlicher Fiberkopf erwies, nur daß der auf einem Emanator saß, statt im Kontaktfeld eines Schrubbomaten. Das Surren des Schafts wollte nun gar nicht mehr enden, ebensowenig wie der sich aus diesem entfaltende Emanator. Letzterer endete schließlich aber doch, und fiel zu Boden.

Der Schaft surrte ungerührt weiter. Ich warf ihn, zusammen mit der vollgepampten Attraktorkladde, die ich immernoch in der Hand hielt, in den Müllschlucker. Der Moderator hatte sich offenbar regeneriert und hob ein tatendurstiges Summen an. Ich nahm ihn vom Handtuchhalter und schickte ihn weg. Dann ergriff ich den Emanator und zog damit den Fiberkopf durch die Pampe. Fasziniert beobachtete ich wie die Pampe einfach verschwand, woimmer ich sie mit dem Fiberkopf berührte. Ich stellte fest, dass es besser ging, wenn ich den Kopf dabei ein wenig hin und her drehte. Die Fibern namen dabei allmählich eine graubraune Färbung an, denn es gab freilich keine Elektrostatik, die den Dreck wegsaugen, geschweige denn irgendetwas, wohin sie ihn saugen könnte. Seltsam routiniert hielt ich also den Fiberkopf, unter fortwährendem Wringen, unter den Handdesinfizierer, bis die Fibern wieder ihre ursprüngliche, transparent-silbrige Farbe zurückgewonnen hatten. Dabei ging mir das Wort "Scheuerlappen" durch den Sinn, und mir fielen all jene Einzelheiten aus meiner Jugend ein, die ich eingangs berichtete.

Nachdem ich dieses Procedere einige Male wiederholt hatte, war die Pampe restlos verschwunden. Ein Blick auf die Uhr belehrte mich, dass es nunmehr um Sekunden ging. Flugs folgte mein Arbeitsgerät seinem bereits früher obsolet gewordenen Bestandteil, der nunmehr ungefährliche Sterilisator – nicht ganz fachgerecht – nur wenige Augenblicke darauf. Auf den Penetranten habe ich nicht mehr geachtet, hatte diesmal aber Glück. Punkt neun öffnete sich die Tür des Defäktrons mit würdevoller Behäbigkeit, und ich trat vor die in diesem Moment eintreffende Prüfungskommission.

"Dann wollen wir uns Ihr Werk mal anschauen!" begrüßte mich die Generalinspektorin, mit einem eigentümlich drohenden Unterton, den ich nicht einzuordnen wusste, der mir aber, nach der Anspannung der letzten Stunde, unangenehm in die Magengrube fuhr. Ich bemerkte, dass ich schwitzte, und gedachte zweifelnd des Desio. Auch ihre beiden Begleiterinnen, mir aus dem Studium bekannte Professorinnen für technische Fächer, grüßten, allerdings wesentlich freundlicher. Der seltsame Tonfall der Kommissionsleiterin musste auch ihnen aufgefallen sein.

Die Generalinspektorin betrat das Defäktron. In der Tür blieb sie stehen und schaute sich mit erhobenen Augenbrauen um: "Schön, schön!" Tonfall und Körpersprache standen in merklichem Gegensatz zum Inhalt ihrer Äußerung. Sie bedachte mich mit einem langen, forschenden Blick. Dann, wie von einem plötzlichen Entschluss getrieben, trat sie schnurstracks zur Rückwand des Defäktrons, drehte sich zu mir um, und schlug, ohne hinzusehen, heftig mit der Faust auf die Stelle, an der ich die Havariekassete wusste. Langsam öffnete sich die Abdeckung und gab den Blick auf das leere Formkissen frei. Mir stockte der Atem. Damit hatte ich nicht gerechnet.

Ohne ihren durchdringenden Blick von mir zu wenden zeigte sie auf den Platz, wo sich die Leckfibrille befinden sollte. "Und was ist das?!"

Keiner Regung fähig starrte ich fassungslos dorthin, wo ihr ausgestreckter Zeigefinger unverwandt zu weisen fortfuhr. Irgendwie gelang es mir, stehen zu bleiben, und schließlich sogar, etwas von "Havarie" zu stammeln.

"Soso ...!" unterbrach die Generalinspektorin mein Gefasel, und ließ nochmals ihren Blick durch den Raum gleiten. Sie sah plötzlich sehr müde aus. Leiser, und wie resignierend, fuhr sie fort: "... Havarie also, hmhm. Und die haben Sie mit Hilfe der Leckfibrille bereinigt. Sehr interessant!" Sie rieb sich die Stirn.

Ich fühlte mich genötigt, in die entstehende Stille hinein etwas zu sagen, und setzte, immernoch nurmehr stammelnd, zu Erläuterungen zum Havariefall an, wurde jedoch, wofür ich in dem Momemt sehr dankbar war, sofort wieder unterbrochen: "Für eine unbestückte Havariekassete müssen wir Ihnen natürlich Punkte abziehen." warf eine der anderen, ebenfalls ordentlich verdattert dreinschauenden Mitgliedinnen der Prüfungskommission ein. Das nun ergab wieder Sinn für mich – endlich wieder einmal Sinn! Mein verzweifelt rudernder Verstand klammerte sich instinktiv an diesen Satz wie ein Ertrinkender an einen Strohalm. Die Generalinspektorin bestätigte blass und murmelte zusammenhangslos etwas von ihrer baldigen Pensionierung.

Der Rest der Abnahme lief in etwa so, wie frau sich das vorstellt. Es wurden die verschiedenen Aktoren, Produktoren und Sensoren betätigt und deren Funktion überprüft, Abdeckungen geöffnet und inspiziert, Rückfragen an mich gerichtet, die ich, die ich meine Sicherheit allmählich zurückgewann, auch zunehmend flüssig beantworten konnte. Schliesslich wurde mir mitgeteilt, dass, abgesehen von der mangelhaften Ausstattung der Havariekassete, alles zur besten Zufriedenheit der Prüfendinnen verlaufen sei, und mein Defäktron die Abnahme bestanden habe. Dann verabschiedete sich die Prüfungskommission von mir, mit Händedruck, besten Wünschen fürs weitere Berufsleben etc.

Leere breitete sich in mir aus, nachdem sie weg waren. Ich konnte mir auf das soeben erlebte beim besten Willen keinen Reim machen. Eine Weile stand ich ratlos da, dann setzte ich mich auf den Boden und begann zu weinen.

Irgendwann hatte ich mich wieder gesammelt.

Ein Kaffee wäre jetzt das richtige! Also begab ich mich ins Labor. Dort saß jemand vor dem Regal auf dem Boden und rieb sich das Schienbein. Irgendein Idiot habe diese Kiste hier genau vor das Regal gestellt. Mir fehlten die Nerven für einen Kommentar. Die Kaffemaschine lief wieder fast geräuschlos, jemand musste sich darum gekümmert haben. Einer Eingebung folgend, ging ich in die Hocke und spähte in den Spalt zwischen Kaffemaschine und Kühlschrank. Dort steckte eine Attraktorkladde...

Ich beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken, und bin damit seither auch recht gut gefahren.

Ismael Dreyzehn, 22.07.2018 - CC BY-NC-ND 4.0 - ismael13.schnypsel.net